Produktbeschreibung
Duisburg 2022, 54 Seiten
Thorwald Proll geb. 22.7.1941 in Kassel, besuchte dort das humanistische Gymnasium.
Kam über ein Anfangsstudium für Germanistik und Theaterwissenschaften nicht hinaus.
Stattdessen lernte er in der Studentenbewegung einige "Volksuniversitäten" (Gefängnisse) kennen.
Folgerichtig erschien sein erster Gedichtband 1972 über die Zeit im Gefängnis als lyrische Beichte
mit dem Lektor Klaus Röhler im Luchterhand Verlag.
Zuletzt erschienen, jeweils als Self Publishing, die Bücher: "Raus mit der Sprache", 2016, "(M)Ein 68 Aufzeichnungen Briefe (Tagebuch) Schlusswort im Kaufhausbrandprozess Fotos Dokumente im Sinne des Unerforschlichen", 2018 und "Radikaliski - gebrauchte und neue Gedichte", 2019
Jochen Knoblauch
Thorwald Proll – 50 Jahre Lyrik
Mit dem Namen Thorwald Proll wird heute immer noch, zusammen mit Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Horst Söhnlein, die Frankfurter Kaufhausbrandstifter von 1968 in Verbindung gebracht. Aber nach der Verurteilung, Flucht und dem Absitzen der Haftstrafe entschied sich Proll für einen anderen Weg. Im Hermann Luchterhand Verlag erschien 1972 sein erster Gedichtband "sicherheit und (m)ordung".
In jener hitzigen Zeit vor der Gründung der Roten Armee Fraktion (1970) entschied sich Thorwald Proll nicht gegen seine Genoss*innen, aber gegen den Weg des bewaffnete Kampfes. Der 1941 in Kassel geborene Proll studierte zu dieser Zeit in Marburg und West-Berlin Germanistik und wurde durch die APO (Ausserparlamentarische Opposition), wie so viele seiner Zeitgenoss*innen, politisiert. Im Gegensatz zu seiner Schwester, Astrid Proll, war ihm damals schon der Preis für den gewalttätigen Weg zu hoch.
Der von Proll eingeschlagene Weg war "gegenüber seinen Erwartungen" trotzdem kein leichter, und schon gar keiner, der finanziell sorgenfrei war – bis heute. Neben der Lyrik arbeitete er in diversen Jobs und ab 1977 in Hamburg, wo er u.a. mit seiner Frau den Nautilus Buchladen betrieb, und als Verlagsvertreter, und Verleger des legendären "Verlag auf hoher See" tätig war. Und schlussendlich als Vater von zwei Kindern galt es andere Prioritäten im Leben zu setzen.
Seit seinem ersten Gedichtband vor genau 50 Jahren veröffenlichte Proll rund 20 Publikationen, größtenteils Lyrik. Durch alle seine Gedichte zieht sich ein dadaistischer Blick auf den Alltag und das politische Geschehen, ohne Verhärmung, ohne Zynismus behält er seinen Humor und seine Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Seine oft minimalistischen Wortspielereien sind Zeugnisse seiner Menschenfreundlichkeit, seines Wissens um unser aller Unzulänglichkeit, aber ohne jeden bösen Hintergedanken. Und wenn es in Deutschland heute keine großen lebenden Dichter*innen mehr gibt, weil wir anscheinend, als Land der "Dichter und Denker", keinen Wert mehr darauf legen, was die Intellektuellen in diesem Land zu sagen haben, wäre Proll wohl einer dieser Stimmen geworden. Aber die Narren wurden vom Hofe verbannt, und er war nie jemand, der sich irgendwie in die Öffentlichkeit drängelte.
Nach der Trilogie von "gebrauchten und neuen Gedichten" (2019-2021) im Duisburger Trikont Verlag, erscheint jetzt der neue Gedichtband "Doggin' Around – Mein delyrisches Tagebuch", wo der heute 80jährige Proll in drei Kapitel – "Balkon / Klinik / Reha" – seine Zeit während eines Krankenaufenthaltes nach einer schweren Knie-OP verabreitet. Aber hier geht es nicht um Krankenhaus- oder Schmerztheapie-Lyrik, sondern wie gewohnt auch politisch etwa über den Hamburger Senat: Im Senat | arbeitet die | Opposition | unter | ohrenbetäubendem | Lärm | am Hörzurz | der Regierung. Oder ganz kurz: Steckbrief | Linkes Herz | rechtes Knie (... 2 Wo. n. d. OP).
Produktivität und Beharrlichkeit als Lyriker sollten Proll noch bei Lebzeiten entlohnt werden und nicht jene "Jugendsünde" des politischen Kaufhausbrandstifters ständig in Rechnung gestellt werden. Es wäre langsam an der Zeit mal wieder politische Lyrik – natürlich mit einem subversiven Schmunzeln versehen – in den Focus zu rücken, statt in diesen aufwühlenden Tagen sich zunehmend einer Garten- und Wiesen-Lyrik zu widmen. Zur Ablenkung haben wir heute das 24-Stunden-Fernsehen und die "sozialen Medien". Lyrik ist Geistesnahrung – und die brauchen wir alle.
Jochen Knoblauch
Thorwald Proll, Doggin Around – Mein delyrisches Tagebuch. Trikont-Duisburg / Dialog-Edition, Istanbul / Duisburg 2022, 51 Seiten, 10 Euro, ISBN: 9783945634653
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